Am Montagabend, dem 17.01.22 war ich in Werder am Plantagenplatz und machte mir ein Bild von dem sogenannten Spaziergang, der über die Insel zurück zum Plantagenplatz führte.
Grundsätzlich war mein Eindruck, dass die Menschen dort nicht in Schubladen gesteckt werden können und es auch nicht wollen. Die rund 280 Teilnehmer:innen bestanden aus Familien, jüngeren und älteren Menschen, Freunden oder Solos und waren friedlich. Viele von ihnen tauschten sich über Alltägliches aus. Einige trugen Kerzen oder Lichter. Mit einigen bin ich ins Gespräch gekommen und fragte, warum sie hier mitlaufen. Oft bekam ich die Antwort, dass sie nicht politisch seien, es ihnen aber darum ginge, eigene und freie Entscheidungen treffen zu wollen. Sie fühlen sich durch die Entscheidungen der Bundespolitik zur Pandemiebekämpfung bevormundet. Immer wieder wurde meine Frage: “Warum gehen sie heute Abend spazieren?” auf der Gefühlsebene beantwortet. Fakten, Zahlen, Studien spielten dabei keine Rolle.
Ich fragte auch, warum keine Demonstration angemeldet wurde, da es den Anschein einer Demo hat. Sie antworteten, dass es dann einen Organisator geben müsste, es müssten Masken getragen und Abstand gehalten werden und der sogenannte Spaziergang dürfte gegebenenfalls nicht stattfinden. Diesen Punkt halte ich für äußerst kritisch. Denn Recht muss Recht bleiben und die gesellschaftlich vereinbarten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie gelten ohne Ausnahme für alle gleich.
Ein weiterer Punkt von vielen war, dass ihnen ein Forum fehlt und sie gesehen und gehört werden möchten.
Was ich auch beobachtete, waren Vertreter:innen der AfD mit einem Schild in der Hand. Welches Instrument die Partei in dem sogenannten Spaziergang spielte, konnte ich mir nicht erschließen. Aber es macht mir Sorgen. Große Sorgen.
Denn die Corona-Pandemie ist weit mehr als ein Virus der physisch zum Tod führen kann. Sie beeinflusst unsere Art miteinander umzugehen und den Blick auf die Demokratie.
Ich bin ein optimistischer Mensch, deshalb werde ich auch weiterhin das Gespräch mit den Spaziergänger:innen suchen. Vielleicht können so Brücken für das Miteinander in der Gesellschaft gebaut werden. Vielleicht überlegt sich der eine oder andere auch, dass es ja beim Impfen nicht unbedingt um das „eigene ich“ geht, sondern um Mitbürger:innen, die keine so stabile Gesundheit haben.